Echte Gesprächsstrategien für den Umgang mit Fake News

Nicht nur in Zeiten von Corona sind Fake News ein Thema. Und der Umgang mit Fake News kann herausfordernd sein. In diesem Artikel gebe ich einige Tipps, die hilfreich sein können.

Im Rahmen des #WirSindVirus Hackathons war die Projektgruppe “Facts for Friends” auf der Suche nach jemandem, der einen kurzen Text über schwierige Kommunikation in der Familie verfasst. Ich habe mir dann einige Gedanken dazu gemacht und ein paar Absätze beigetragen.

Hier werde ich noch etwas ausführlicher und allgemeiner auf das Thema eingehen. Hauptsächlich werde ich den Blickwinkel einnehmen, dass eine Person aus dem nächsten Umfeld – Freunde, Familie – Fake News teilt und der Wunsch entsteht, das anzusprechen.

Fake News

Was sind eigentlich “Fake News”?

Zunächst mal eine Definition.

Als Fake News […] werden manipulativ verbreitete, vorgetäuschte Nachrichten bezeichnet, die sich überwiegend im Internet, insbesondere in sozialen Netzwerken und anderen sozialen Medien zum Teil viral verbreiten. […] Zunehmend wurde Fake News auch zu einem politischen Schlagwort und Kampfbegriff, [als] beleidigender Ausdruck für unliebsame Berichterstattung oder Medien

Wikipedia

Ich sehe es so: Jemand sagt oder schreibt etwas, das wissentlich nicht den objektiven Fakten entspricht oder lässt aus einem Bericht bewusst entscheidende Informationen weg. Und das mit dem bewussten Ziel, die eigenen politischen oder kommerziellen Interessen zu verfolgen oder anderen Menschen zu schaden.

Ganz eng verwandt im Ergebnis, aber für mich ein deutlicher Unterschied: jemand ist fest davon überzeugt, dass es objektiv richig sei und hat keine eigene Agenda dabei. Also z.B. wenn jemand einen Rechenfehler macht und dadurch Spinat plötzlich ungeheuer viel Eisen enthält.

Einmal freigesetzt, verbreiten sich die Fake News – viral

Dummerweise – oder zum Glück – können wir nicht in den Kopf anderer Menschen schauen. Ob jemand also absichtich falsche Behauptungen aufstellt oder versehentlich, können wir immer nur vermuten. Und die Meldung ist dann eben in der Welt und verbreitet sich.

“Erfolgreiche” Fake News wecken starke Emotionen und verbreiten sich rasant über Soziale Medien. Auch wenn eine Falschnachricht nur versehentlich verbreitet wurde – der Schaden ist trotzdem angerichtet. Die Korrektur ist langweilig und erreicht selten die emotionale Wucht und Verbreitung der ursprünglichen Meldung.

Wenn genügend oft zwei eigentlich unabhängige Dinge gleichzeitig genannt werden, entsteht im Lauf der Zeit doch eine gedanklich Verknüpfung. Sei es die gleichzeitige Nennung der Anzahl Asylbewerber und der Kriminalitätsrate. Oder bestimmte Gerüchte über Prominente. Gib mal den Namen von einigen bekannten Persönlichkeiten in das Suchfenster deiner Suchmaschine ein – es ist manchmal ganz schon krass, was dort für Vorschläge kommen. Letzlich repräsentieren diese Vorschläge häufige Vorurteile und Meinungen.

Links: Suchmaschinen-Vorurteile "Männer sind..." - wird ergänzt durch "Schweine, die beste Medizin, peinlich..."
Rechts: Suchmaschinen-Vorurteile "Frauen sind..." - wird ergänzt durch "keine Engel, die neuen Männer,doch bessere Diplomaten..."
Nur mal so als Beispiel, ein paar gängige Verknüpfungen zu Männern und Frauen…

Die Folgen von Fake News

Je nach Inhalt der Fehlinformationen sind die Folgen natürlich unterschiedlich. Ich sehe ganz grob diese Kategorien:

  • Fake News die suggerieren, es sei “alles nicht so schlimm”
    -> Eigentlich wichtige und notwendige Maßnahmen werden nicht getroffen
  • Fake News die suggerieren, es sei “alles schrecklich”
    -> Tendenz, dass Menschen sich als ohnmächtig wahrnehmen Panikstarre und erstarren – oder vor lauter Panik kopflose Aktionen starten.
  • Für Fake News mit Bezug zu bestimmten Personen oder Personengruppen
    -> Ruf wird geschädigt, Ausgrenzung, Schamgefühle
  • Wenn Echte News als Fake News diffamiert werden
    -> die Botschaft erreicht Menschen nicht

Was ist objektiv richtig?

Die allermeisten Aussagen beinhalten Argumentationen, Interpretationen, Analysen oder Meinungen – auch dann, wenn sie auf den ersten Blick als Fakten daherkommen.

Ich halte diese Unterscheidung für sehr wichtig im Umgang mit Fake News. Es ist im Alltag sehr üblich und fast schon allgegenwärtig, dass Fakten und Interpretationen verschwimmen. Oft ist das auch ok, wenn alle Gesprächspartner dieselbe Interpretation haben. Schwierig wird es erst dann, wenn sich die Interpretation unterscheidet.

Ein Alltagsbeispiel – das aufgeräumte Zimmer

Ein Beispiel aus dem Alltag: “Dein Zimmer ist nicht aufgeräumt!” Vielleicht ist die Antwort “ja, bin diese Woche noch nicht zum aufräumen gekommen, ich mach es gleich” – dann ist es damit erledigt. Aber vielleicht kommt als Antwort auch “stimmt doch gar nicht!” und wer das schon mal erlebt hat, weiß vermutlich, dass Diskussionen auf dieser Ebene dann meist fruchtlos und unerfreulich für beide Seiten sind. Bis hin zur “Kindergarten”-Variante “stimmt nicht” “doch” “stimmt aber nicht” “stimmt wohl”… Nebenbei bemerkt habe ich das durchaus auch schon bei Erwachsenen, auch im Business-Umfeld erlebt…

Wenn klar wird, dass die Gesprächspartner sich über eine Aussage nicht einig sind, dann ist aus meiner Sicht der beste Tipp: Trenne die objektiven Fakten von den Interpretationen!

Nochmal zu dem “nicht aufgeräumten Zimmer”: Da könnte es helfen, in die Rolle eines Filmemachers zu schlüpfen. Was sagst du deinem Team, um die Szene nachzubauen? “OK, auf dem Boden liegen 5 zerknüllte T-Shirts, 2 Hosen, ein schiefer Stapel Bücher, ein paar Duzend Zettel und 2 leere Becher.” Sehr wahrscheinlich wird jeder, der das Zimmer sieht, dieser Aussage zustimmen. Als Gesprächseinstieg hat das bessere Chancen, weil nicht sofort der Widerspruchsreflex einsetzt.

Ein Beispiel zum Klimawandel

Ein weiteres Beispiel: der Klimawandel. “Durch unsere Lebensweise und unseren CO2-Ausstoß verursachen wir Menschen einen Temperaturanstieg, der dramatische Folgen für unser Klima und die Lebensbedingungen auf unserem Planeten hat – und das wird sich in Zukunft immer mehr verstärken.”

Ich bin überzeugt davon, dass es so ist – und ich teile diese Meinung auch mit sehr, sehr vielen Menschen. Eine überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler sehen das auch so. Und trotzdem gibt es (leider) immer noch Menschen, die dieser Aussage nicht zustimmen – und das sind dann tendenziell auch genau die Menschen, die entsprechende Fake News verbreiten.

Meine Aussage oben ist eben keine absolut objektive Aussage, sondern ist gemischt mit Interpretationen (menschengemacht, dramatische Folgen, wird sich verstärken…). Gängigen Interpretationen. Von vielen, vielen Messwerten unterstützte Interpretationen. Aber Interpretationen.

Und es gibt eben Menschen, die eine andere Interpretation haben. Sei es “nicht so schlimm” “gab es immer schon mal” “Messfehler” “Verschwörung” oder irgendetwas anderes. Wir Menschen neigen dazu, an einer einmal gefassten Meinung festzuhalten und nur die Informationen zuzulassen, die zu dieser Meinung passen. Confirmation Bias nennt sich das. Ich vermute, dass diese Tendenz umso stärker ist, je mehr unangenehme Gefühle durch die andere Meinung ausgelöst werden.

Zum Beispiel die Angst davor, wie es mit der Menschheit weitergeht wenn die Polkappen schmelzen. Die Scham über den eigenen Beitrag durch Flugreisen. Die Angst davor, auf Gewohntes verzichten zu müssen, die Angst vor Veränderung. Und die meisten Menschen mögen diese Gefühle nicht und tun alles, um sie nicht spüren zu müssen.

Auch bei diesem Beispiel wird deshalb eine Diskussion auf der Ebene von “stimmt nicht” “stimmt doch” “stimmt nicht, schau hier” “stimmt doch, schau hier” wenig erfreulich für beide Seiten sein und die Wahrscheinlichkeit etwas zu erreichen ist gering.

Das ist der Beweis!

Schlimmstenfalls führt eine Diskussion auf der Ebene davon was richtig und falsch ist, dazu dass sich die Meinungen auf beiden Seiten verfestigen. Nicht selten wird auch der Gegenbeweis umgedreht und als weiterer Beleg für die Wahrheit der eigenen Meinung gesehen.

“Er ist der Messias”
“Ich bin nicht der Messias!”
“Nur der wahre Messias leugnet, dass er der Messias ist”

Monty Python’s Das Leben des Brian
Echte Gesprächsstrategien für den Umgang mit Fake News

Reagieren auf Fake News – Anregungen zum Gespräch

Mir ist bewusst, dass jede Situation anders ist, und dass kein Gesprächstipp für jeden passt. Deshalb schreibe ich hier nur einige Anregungen, die aus meiner Sicht für ein schwieriges Gespräch hilfreich sein können.

Ich gehe im Folgenden davon aus, dass ein dir nahestehender Mensch etwas erzählt oder geteilt hat, das nach deiner Einschätzung Fake News ist. Um es sprachlich zu vereinfachen, verwende ich FreundIn – bitte ersetze das bei Bedarf durch Mutter / Vater / PartnerIn / MitbewohnerIn etc.

Die Kurzfassung – dreh es um

Stell dir vor, es ist umgekehrt: Nicht deine FreundIn hat die Fake News dir erzählt, sondern du hast es ihr erzählt. Du nimmst an, dass es wahr ist. Wie hättest du gern, dass die FreundIn dich darauf anspricht?

Je nach Menschentyp und Beziehung die ihr habt, kann das ja ganz unterschiedlich sein: Mit Respekt? Ganz sachlich? oder mit Humor? Und dann sprich es genau so an, wie du es selbst gern hättest!

Vielleicht ist es so für dich einfacher: Was würdest du zu deiner FreundIn sagen? Und stelle dir dann vor, eure Rollen wären vertauscht. Wie würde dein Satz auf dich wirken? Wenn dir etwas nicht gefällt – ändere es solange, bis du es ok findest.

Vor dem Gespräch

Wenn ich vermute, ein Gespräch könnte schwierig werden, dann finde es immer hilfreich, wenn ich mir vorher etwas Zeit nehme. Ich versuche, für mich klar zu bekommen, um was es mir geht und was ich mit dem Gespräch erreichen will.

Manchmal finde ich es auch hilfreich, mit unbeteiligten Dritten darüber zu sprechen – eine andere FreundIn, ein Life-Coach oder Konfliktcoach.

Hier ein paar Beispiele:

  • ich mag nicht mehr ständig diese Fake News in meinem Posteingang haben – und trotzdem will ich weiterhin mit der FreundIn in Kontakt sein
  • ich merke dass ich wütend werde wenn ich nur schon lese, dass die FreundIn wieder eine Nachricht geschickt hat – schon bevor ich den Inhalt kenne – ich brauche gerade Abstand
  • ich möchte dazu beitragen, dass diese Nachricht sich nicht noch weiter verbreitet
  • ich bin richtig verzweifelt, und ich habe gerade große Angst, dass alles den Bach runter geht.

Sobald ich diese Klarheit für mich habe, kann ich besser erkennen, über was genau ich überhaupt mit der FreundIn reden will. Und ob ein Gespräch mit der FreundIn überhaupt ausreicht, um mein Problem zu lösen. Wenn ich z.B. aufgrund einer Nachricht in großer Angst bin, wird es vermutlich nicht reichen, jemanden zu bitten, die Nachricht nicht mehr zu verbreiten…

Gesprächsbereitsschaft herstellen

Wenn du entschieden hast, das Thema anzusprechen, dann stelle als erstes sicher, dass deine FreundIn gerade bereit ist, überhaupt mit dir darüber zu sprechen. Wer todmüde ist oder gleich zur Arbeit muss, möchte vermutlich gerade kein längeres und vielleicht anstrengendes Gespräch führen. Vielleicht könnt ihr auch einen anderen Zeitpunkt für das Gespräch vereinbaren.

Die Gemeinsame Basis fürs Gespräch

Stelle sicher, dass deine FreundIn weiß, wovon du genau sprichst. Wie oben geschrieben, sollte das möglichst etwas sein, was ihr beide so seht.

Also statt “immer teilst du solche Fake-News” oder “das ist doch Quatsch, was du da geteilt hast” (das wird sie vermutlich anders sehen!) lieber “gestern hast du mir diesen Artikel über xy geschickt”.

Erzähl etwas von dir. Was löst es bei dir aus und was ist dir wichtig?

Erkläre deiner FreundIn, warum es dir wichtig ist, diese falsche Nachricht zu korrigieren. Sprich dabei über dich selbst, also was es in dir auslöst und was du brauchst oder dir wünschst.

Zum Beispiel: “Wenn ich die Aussage lese, das Virus sei nicht so schlimm, dann habe ich die Sorge, dass Menschen leichtsinnig werden und es dadurch zu Ausgangssperren für alle kommt.” Oder: “Ich bin genervt, weil mir wichtig ist, Rücksicht zu nehmen.”

Was hättest du jetzt gern? Was schlägst du vor?

Mache deiner FreundIn einen Vorschlag. Sag, was du jetzt gerne hättest – und versuche das als freiwilliges Angebot zu sehen. Versuche offen dafür zu bleiben, dass deine FreundIn das (im Moment) vielleicht nicht möchte oder einen anderen Vorschlag hat.

Du könntest zum Beispiel vorschlagen: “Ich würde dir gern eine App zeigen, die dabei hilft, zu unterscheiden, welche Informationen zuverlässig sind. Möchtest du das?”

Oder erkundige dich danach, was deine Äußerung bewirkt hat, indem Du fragst: “Wie geht es dir damit wenn du das hörst?”

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