Meine erste Begegnung mit Gewaltfreier Kommunikation

Angeregt durch die Blogparade von Jutta Büttner schreibe ich hier über meine erste Begegnung mit Gewaltfreier Kommunikation.

Der Weg dorthin

Angefangen hat es im Sommer 2013, und “schuld” war YouTube. Irgendwie war in meiner Liste der Videos, die ich irgendwann mal schauen will, ein Filmchen gelandet über Hausbau mit natürlichen Materialien. Vermutlich weil ich damals überlegt habe, ob ich mir es leisten könnte, eine Wohnung zu kaufen (Antwort leider: nein, und schon gar nicht in München) und wie so ein Traumhaus für mich aussehen würde (träumen geht trotzdem immer). Und wie das eben so ist, habe ich ein anderes Video aus “später schauen” angeklickt und danach kam dann automatisch das besagte Filmchen.

Es ging vordergründig um Menschen, die eine Hütte aus Stroh und Lehm gebaut hatten. Drumherum haben diese Menschen aber noch von ihrer Landwirtschaft erzählt, wie sie Pflanzen nebeneinander anbauen, die sich gegenseitig ergänzen, wie sie die Natur miteinbeziehen – weit über das hinausgehend, was im klassischen “Bio-Anbau” gemacht wird. Sie nannten das “Permakultur” und ich fand es spannend und wollte mehr wissen. Und wie das eben so ist bei YouTube, fand ich mehr Videos und dann auch Webseiten dazu.

Über Permakultur habe ich dann von Urbanem Gärtnern erfahren. Also, dass es immer mehr Menschen gibt, die ihr eigenes Gemüse anbauen in der Stadt, auf dem Balkon oder in kleinsten Vorgärten. Wenn es schon nichts würde mit dem eigenen Garten, so wollte ich doch immerhin meinen Balkon gut nutzen. Und habe von einem üppig grünen Balkon geträumt, der mich mit leckerem Gemüse und Kräutern versorgt und gleichzeitig im Sommer Schatten spendet.

Um diesem Traum ein Stück näher zu kommen, habe ich mich im Herbst 2013 zu einem Permakultur Schnupperkurs angemeldet.

Was das alles mit Gewaltfreier Kommunikation zu tun hat? Geduld, Geduld, das kommt gleich 😉

Der Permakultur Schnupperkurs

Am frühen Morgen des 5. Oktobers 2013 saß ich dann also im Zug und bin ins Dreisamtal gefahren. Von Samstag 13:30 Uhr bis Sonntag 16 Uhr sollte der Schnupperkurs gehen. Ich war aufgeregt und voller Vorfreude. Und es wurde ein Wochenende, das mein Leben komplett verändert hat. Das klingt irgendwie dramatisch. Aber genau das war es auch, vor allem im Rückblick.

Es war so ziemlich das erste Mal überhaupt, dass ich privat irgendein Seminar besucht habe. Ich habe Menschen getroffen, die eine ganz andere Weltsicht, Lebensphilosophie und Alltag hatten als ich sie bisher in Schule, Ausbildung, Uni und Beruf getroffen hatte. Um es etwas plakativ zu sagen: ich habe damals fast nur meine rationale, analytische, naturwissenschaftlich gelenkte Seite gelebt. An diesem Wochenende habe ich bemerkt, dass ich auch noch eine weiche, emotionale, menschliche Seite habe und dass ich eine große Sehnsucht habe, das mehr zu leben.

Natürlich habe ich viel erfahren über Permakultur. Diese besondere Form der Landwirtschaft, bei der der Fokus auf selbstregulierenden, vielfältigen Systemen liegt, die darauf angelegt sind, auf Dauer gute Erträge zu erzielen (“permanente Agrikultur”). An einen Teil der Inhalte konnte ich durch meine Ausbildung zur Zierpflanzengärtnerin und das nachfolgende Studium in Gartenbauwissenschaften gut anknüpfen – Bodenkunde und grundsätzliches Wissen über Pflanzenwachstum z.B.

Noch mehr faszinieret hat mich allerdings, das Prinzip der Permakultur “Earth Care, People Care, Fair Share” (etwa: “Sorge für die Erde, Sorge für die Menschen, Teile gerecht und schränke dich ein”) auf gesellschaftlicher, sozialer oder ökonomischer Ebene umzusetzen, und so eine auf Dauer angelegte (menschliche) Kultur, nachhaltige Lebensweise und respektvollen Umgang miteinander zu erreichen. Beispiele für Konzepte, die ich dort kennengelernt habe sind: Gemeinwohlökonomie, Transition Towns, Wildnispädagogik, Solidarische Landwirtschaft und – ja, endlich! – Gewaltfreie Kommunikation.

Im Jahr darauf, 2014, habe ich einen Permakultur-Design-Kurs (auch 72h-Kurs genannt) gemacht, um noch tiefer einzutauchen. Seither begleitet mich dieses Konzept immer wieder – mal mehr, mal weniger intensiv.

Die erste Begegnung

Im Permakultur Schnupperkurs wurde die Gewaltfreie Kommunikation kurz vorgestellt, vielleicht eine halbe Stunde lang. In Erinnerung ist es mir damals geblieben als eine Art Methode um Konflikte zu lösen und allgemein bessere Zusammenarbeit in Teams zu erreichen.

Das hat mir gefallen: dass bei Meinungsverschiedenheiten nicht der sich durchsetzt, der entweder mehr Macht / Authorität hat oder sich am lautesten / nachdrücklichsten äußert. Sondern dass alle Sichtweisen auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt gehört werden und dass in die Entscheidung auch alle miteinbezogen werden.

Ich wollte mehr erfahren!

Auf der Suche nach mehr

Wieder nach Hause zurückgekehrt, habe ich mich auf die Suche nach mehr Informationen zur Gewaltfreien Kommunikation gemacht. Ich hatte den Tipp bekommen für einen YouTube-Kanal vom (inzwischen leider verstorbenen) Klaus Karstädt. Damals gab es dort “nur” eine Reihe von kurzen Video-Präsentationen, inzwischen gibt es sogar ein komplettes Einführungsseminar.

Auch wenn ich die Videos etwas steif fand, die Konzepte und Erklärungen fand ich eingängig und interessant, die Beispieldialoge auf den Punkt gebracht. Beim Schreiben dieses Artikels habe ich noch mal ein, zwei Videos geschaut – auch heute noch kann ich die Videos von Klaus Karstädt durchaus als Einstieg empfehlen. Er hat jahrelang Trainer in Gewaltfreier Kommunikation ausgebildet und bringt seine ganze Kompetenz in die Videos ein.

Eine weitere Quelle (die ich allerdings erst später gefunden habe) sind diverse Mitschnitte aus Seminaren von Marshall Rosenberg (dem Begründer der Gewaltfreien Kommunikation). Und natürlich sein Grundlagenbuch “Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens”.

Mit jedem Video das ich geschaut habe, war ich mehr gefesselt von der Gewaltfreien Kommunikation. Mir wurde immer mehr klar, dass dieses Konzept nicht nur für die Kommunikation zwischen Menschen relevant ist, sondern auch für die eigene Gedankenwelt, den Umgang mit sich selbst. Ich hatte eine Menge Aha-Erlebnisse. Zum Beispiel, wie mich meine Gedanken immer wieder bremsen, weil ich mich unbewusst ständig selbst verurteilt habe.

Recht schnell wollte ich noch mehr erfahren!

Noch mehr Schnuppern

Ein 3stündiger Schnupperkurs bei der VHS München im Januar 2014 war mein nächster Schritt.

Damit hatte ich erst mal genügend Input, dass ich begonnen habe, die Inhalte in meinem Alltag umzusetzen. Ich bin mir immer mehr über meine Gedankenmuster bewusst geworden und habe versucht, das gelernte zu integrieren. Zum Beispiel, wenn ich mich über jemanden aufzuregen, mich zu fragen was ich brauche, was mein Anliegen ist.

Nach etwa einem Jahr war mir auch das nicht mehr genug. 2015 war ich zum ersten Mal auf den Workshoptagen des Netzwerks Gewaltfreie Kommunikation München eV. Gezielt habe ich Workshops von Trainern besucht, die ein längeres Basistraining in mehreren Modulen anbieten, und mich dann auch für ein solches Training entschieden.

Mein weiterer Weg mit der Gewaltfreien Kommunikation bis heute

Seit 2017 hatte ich immer stärker den Wunsch, die Gewaltfreie Kommunikation auch an andere Menschen weiterzugeben. Ich habe erste Workshops angeboten in privatem Rahmen, und mich dann nebenberuflich selbständig gemacht.

2018 folgte dann die Ausbildung zur Mediatorin auf Basis der Gewaltfreien Kommunikation und 2019-20 zur Coach, ebenfalls auf Basis der Gewaltfreien Kommunikation.

Auch in meinem Alltag spielt die Gewaltfreie Kommunikation eine wichtige Rolle. Wann immer es Meinungsverschiedenheiten gibt, wann immer ich mich über etwas oder jemanden aufrege, versuche ich irgendwann in diese Haltung zu gehen: ich will verstehen, wie es mir geht, was mich bewegt und was ich brauche. Und gegebenenfalls versuche ich danach mir vorzustellen, wie es der anderen beteiligten Person dabei gehen könnte und was diese Person brauchen könnte.

Das klappt nicht immer. Das dauert oft eine Zeitlang, bis ich mich wieder daran erinnere. Oft hole ich mir Hilfe von KollegInnen, die mich dabei unterstützen. Wenn es dann klappt, stellt sich eine Entspannung ein. Ich werde wieder gelassen, flexibel und sehe plötzlich Lösungsmöglichkeiten, für die ich vorher gar keinen Blick hatte. Und damit kann ich wieder viel besser agieren.

Aus dem erträumten Gemüseparadies auf meinem Balkon ist im Übrigen nichts geworden. Ich habe zwar ein paar Balkonkästen, habe aber gemerkt dass ich weder Zeit noch Lust habe, die regelmäßig zu gießen. Als Konsequenz wächst nur das, was sommerliche Trockenheit überlebt. Zum Beispiel Spitzwegerich und ein Topf Aloe-Vera – beides prima bei Insektenstichen, gelegentlich ein paar Kräuter. Die Vogelmiere kommt immer wieder – viele bezeichnen das zwar als Unkraut, schmeckt aber prima im Salat. Das genügt mir im Moment und ich mag es, die Pflanzen zu beobachten.

Giraffe und Wolf vor dem Hintergrund eines Waldes. Digitales Bild von AI DALL·E
Die Symboltiere der Gewaltfreien Kommunikation
Wölfe als Bild für eine Sprache, die nicht der Verbindung dient, und Giraffen als Bild für die Sprache des Herzens.
Bildquelle: erzeugt durch AI DALL-E https://labs.openai.com/

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Jutta Büttner

    Liebe Judith,

    was für eine spannende Geschichte. Über Permakultur zu mehr Wertschätzung für Menschen. Ich freue mich sehr, eine so interessante Kollegin gefunden zu haben.

    Liebe Grüße
    Jutta

    1. Judith Pfeiffer

      Liebe Jutta,
      ich freue mich, dass meine Geschichte für dich spannend zu lesen war 🙂
      Liebe Grüße,
      Judith

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