Nein sagen

Ich hatte neulich eine Coaching Session, da ging es im Wesentlichen um folgendes Thema: die Klientin war überlastet, weil immer wieder Menschen in Ihrer Umgebung sie um einen Gefallen gebeten haben. Irgendwo auszuhelfen beim Schwager im Laden, auf die Nichten aufzupasssen oder sowas. Und sie hatte große Mühe damit, „nein“ zu sagen. Also, entweder hat sie dann das gemacht, obwohl sie ihre eigenen Sachen dafür liegen lassen musste, oder sie hat „nein“ gesagt und hat sich aber ganz furchtbar schlecht gefühlt damit.

Und weil ich denke, dass sie damit nicht allein ist, und viele Menschen ähnliche Situationen kennen, habe ich diesen Artikel geschrieben.

Das Dilemma

Irgendwie wollte sie die anderen unterstützen – aber auch für sich sorgen (sie hat die Folgen auch gesundheitlich gemerkt). Und das erschien ihr unvereinbar, und eine Art ständiger innerer Kampf fand statt, in welche Richtung es jeweils gehen würde. Ja oder nein – unterstützen oder ablehnen.

Wir haben dann viel darüber geredet, was für sie wichtig ist: weshalb sie gerne unterstützen möchte, was ihre Motivation dafür ist, abzulehnen, und auch was sie daran hindert abzulehnen und es sie trotz innerem Widerstand machen lässt. Letztlich hatte sie für sich die Erkenntnis, dass es ihr sehr, sehr wichtig ist, dass es den Menschen die ihr wichtig sind, gut geht und sie dazu beitragen will. Und gleichzeitig ist ihr auch Selbstfürsorge wichtig, und ihre eigene Weiterentwicklung, genauso wie Grenzen setzen. Eine Möglichkeit, die sie für sich gefunden hat: Der Schwägerin das genau so sagen: „Ich unterstütze dich gern, gleichzeitig brauche ich jetzt gerade eine Stunde für mich. Danach kann ich gern die Kinder nehmen. „

Ein Aspekt dabei war für sie auch: Den Kindern vorleben, wie man für sich sorgt. Ich bin mir sicher: gerade Kinder spüren es, wenn man etwas für sie tut aber dabei innerlich genervt ist („eigentlich würde ich jetzt viel lieber…“). Eine Klarheit, die ausdrückt, dass man als Mensch willkommen ist, es nur jetzt gerade im Moment nicht geht, kann dann viel besser sein. Jeder weiß woran er ist.

Was läuft schief?

Ich glaube, ein Problem liegt auch darin, dass wir auf die Situation „jemand bittet mich um einen Gefallen und ich will eigentlich nicht“ nur destruktive Antworten gelernt haben: Es trotzdem widerwillig machen oder sich mehr oder weniger vehement wehren. Ich denke, die Vehemenz kommt oft dann, wenn der andere auf ein einfaches „nein, heute nicht“ reagiert hat und unser nein nicht akzeptieren will.

Wenn du dich schon regelmäßig wehrst: gut so! Zumindest sorgst du für dich selbst. Vielleicht leidest du aber darunter, dass es immer wieder Streit gibt. Oder das „sich wehren“ nimmt ab und zu Formen an, die den anderen vermutlich verletzen (z.B. „wie kannst du nur so was verlangen von mir“, „Zumutung“, „Unverschämtheit“) Mein Tipp: Frage den anderen, um was es ihm geht, was er braucht. Teile dem anderen mit, wie es dir geht und was du brauchst. Und versucht, gemeinsam eine Lösung zu finden, die für euch beide passt. (Anmerkung: das bezieht sich vor allem auf Situationen mit Menschen, die dir nahestehen)

Wenn du eher jemand bist, der trotzdem ja sagt: Ich war lange Zeit auch so, ich habe so oft meine eigenen Grenzen überschritten, Dinge gemacht die mir nicht gutgetan haben. Irgendwann kommt die Rechnung: entweder der eigene Körper sagt irgendwann überdeutlich, dass es so nicht weiter geht. Oder wir geben die Rechnung an den anderen. Manchmal sofort, indem wir es zwar erledigen, aber mit einem so unleidigen Gesichtsausdruck oder mit (unterschwellig) genervter Haltung – so dass der andere sofort bereut uns jemals gefragt zu haben. Im Berufsleben nennt man diese Variante gern auch „Dienst nach Vorschrift“. Manchmal kommt die Rechnung aber auch erst Jahre später, zum Beispiel in Form von Vorwürfen („immer war ich nur für dich da, hab alles gemacht – und wenn ich einmal was von dir will…“, „das hab ich doch nur für dich gemacht, ich habe alles für dich geopfert…“). Und der andere fällt vielleicht aus allen Wolken wenn er erfährt dass jemand viele Jahre Dinge gemacht hat obwohl es eigentlich schrecklich war. 

Wie kann es besser gelingen?

Viel schöner finde ich es, wenn ich für mich abwäge: etwas spricht dafür es zu machen, etwas dagegen – und ich treffe eine aktive Entscheidung. 

Entweder ich entscheide, es nicht zu tun: dann spreche ich gleich offen an, dass ich es nicht tun will und warum. Wenn jemand versteht, was mir wichtig ist und was meine Beweggründe sind, ist die Chance höher, dass er das auch akzeptiert und für sich eine andere Lösung sucht. Vor allem dann, wenn ich klar zu verstehen gebe, dass sich meine Ablehnung nur auf die Bitte und nur auf jetzt bezieht . 

Oder ich entscheide mich dafür, es zu machen. Und zwar nicht weil ich denke, es sei meine Pflicht, oder weil ich mich nicht schuldig fühlen will wen es dem anderen schlecht geht, oder weil ich dann über mich denke ich sei ein schlechter Mensch. Sondern ich entscheide mich gern und freiwillig dafür und mache es dann auch mit Freude.

Also meine Anregung: klare Entscheidung – entweder nein und das auch klar (aber freundlich) sagen – oder ja und dann auch mit vollem Herzen machen.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Lydia Stadler

    Liebe Judith,
    ich finde Deine Hinweise zum „Nein“-Sagen sehr hilfreich, insbesondere für meine Schwester, die schon seit Jahrzehnten damit Probleme hat, und das „Nein“ versucht zu üben. Sie arbeitet in einem Sozialberuf, aber auch privat halst Sie sich am liebsten alles auf, getreu dem Motto unserer Mutter: „Wenn Du etwas gut getan haben willst, tue es selbst…
    Darf ich – wenn sie will – Deinen Blog zum „Nein“ weiter senden?
    Liebe Grüße
    Lydia

    1. Judith Pfeiffer

      Liebe Lydia,
      es freut mich, dass mein Artikel für dich hilfreich war.
      Und na klar – gerne darfst du den Blog weiterleiten!
      Viele Grüße,
      Judith

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