Kontrollierter Dialog – warum du diese Gesprächsform unbedingt ausprobieren solltest!

Die Gesprächsform “kontrollierter Dialog” eignet sich besonders gut für kontroverse Themen in engen Beziehungen oder bei enger Zusammenarbeit.

  • Alltagsthemen
  • Verteilung der Aufgaben im Haushalt oder im Team
  • Planung von Projekten – privat oder beruflich
  • Veränderungen oder Entscheidungen, die anstehen
  • komplexe Sachthemen, unterschiedlicher Wissensstand und Fachkompetenz
  • unterschiedliche Ansichten: Politik, Religion, Zeitgeschehen, Weltanschauung

Wenn zwei Menschen etwas verschieden sehen, ist es oft schwierig, sich auf eine gemeinsame Lösung zu verständigen. Das liegt oft schon daran, dass nur ein geringer Teil von dem was jemand sagt, beim Zuhörer überhaupt ankommt. Je kontroverser das Thema und je emotionaler (und vielleicht auch unsachlicher) die Diskussion, desto geringer ist die Aufnahmequote. Unterschiedliche Vorerfahrungen und Wissensstände tun ihr übriges, um die Verständigung zu erschweren.

Ich habe einmal die unglaubliche Zahl von 10% gehört – also nur 10% vom Gesagten kommt bei einem Streitgespräch auch so an. Ich konnte es nicht glauben, dass es so wenig sein soll! Bis ich dann – in einer Übungssituation, mit einem für mich neutralen Thema – wiedergeben sollte, was ich gerade gehört hatte. Ich war ganz schön erstaunt, wie schwer das war. Und das war ein neutrales Thema!

Bei einer Meinungsverschiedenheit oder erst recht bei einem emotionalen Streit schaltet zusätzlich noch das Gehirn in den Stress-Modus. Stark vereinfacht: der Körper wird auf Kampf oder Flucht vorbereitet – welche Worte der Gesprächspartner gerade genau von sich gibt, das ist eher zweitrangig, also wird im Gehirn Energie gespart. Der Fokus liegt eher auf dem was die Worte für Reaktionen auslösen – Gefühle wie Wut oder Angst, eigene Interpretationen “völliger Quatsch” oder “kann man doch so nicht sagen / machen” oder “das geht nicht!”. Und ich glaube, wir wissen alle, wie so etwas endet: Überreaktion, Missverständnisse, Aneinander vorbei reden.

Zwei Schatten von Menschen, die miteinander reden. Zwischen den beiden Köpfen lauter Fragezeichen. Ein kontrollierter Dialog findet hier offenbar gerade nicht statt

Wie funktioniert ein kontrollierter Dialog?

Ein kontrollierter Dialog ist zunächst für zwei Personen gedacht. Bei mehreren Personen braucht es ein paar Änderungen, darauf gehe ich im nachfolgenden Abschnitt ein.

Voraussetzung für einen kontrollierten Dialog ist eine Bereitschaft beider Gesprächspartner, einen Schritt aufeinander zuzugehen und zu einer Verständigung zu kommen.

Schritt 1 – A spricht

Eine der beiden Personen – A – beginnt zu sprechen. Sie sagt ein Argument oder einen Aspekt.

Vor allem wenn der Dialog noch nicht oft geübt wurde, ist es wichtig, hier wirklich kurz zu bleiben. Es gibt auch Empfehlungen, nur einen Satz zu sagen – bei manchen Themen greift das allerdings zu kurz.

Während A spricht, hört die andere Person – B – nur zu. Möglichst sollte auch über Mimik, Gestik und Körpersprache nichts “gesagt” werden. Der Fokus liegt auf A und auf dem was A gerade sagt, die Intention sollte sein “ich will verstehen, was A sagt”. Spätestens wenn B den Eindruck hat, jetzt nichts mehr aufnehmen zu können, weil es zuviel auf einmal wird, muss dieser Schritt 1 beendet werden.

Schritt 2 – B gibt wieder

Sobald A fertig gesprochen hat, gibt B wieder was angekommen ist.

Auch beim Wiedergeben sollte B versuchen, möglichst bei A zu bleiben und möglichst wenig eigene Kommentare oder Interpretationen hinzuzufügen – sei es durch Worte oder durch Nonverbales. Ziel ist immer noch: A verstehen wollen.

Es kann auch vorkommen, dass B hier vollkommen blank ist und nicht in der Lage ist, etwas wiederzugeben – vor allem bei emotionalen Themen. Falls das passiert, kann B einfach A bitten, es zu wiederholen.

Erfahrungsgemäß klappt das Wiedergeben mit etwas Übung auf beiden Seiten besser. Einerseits durch einen Trainingseffekt fürs Kurzzeitgedächnis und durch fokussierteres Zuhören. Andererseits auch durch klarere Aussagen.

Schritt 3 – A bestätigt oder korrigiert

A gibt dann entweder die Rückmeldung, dass B das gesagte korrekt wiedergegeben hat. Oder A korrigiert oder ergänzt B.

Wenn A eine Korrektur oder Ergänzung hat, wiederholt B diese wieder – bis A bestätigt, dass B alles wiedergegeben hat.

Es geht hier nicht darum, dass alles wortwörtlich wiedergegeben wird – je länger gesprochen wird umso weniger geht das. Wichtig sollte A sein: hat B alles wiedergegeben was mir wichtig ist? Habe ich den Eindruck, bei B ist alles wesentliche angekommen?

Bitte scheue dich nicht, auch Kleinigkeiten zu korrigieren, wenn diese dir wichtig erscheinen. Reite aber gleichzeitig nicht nur um des Prinzips willen auf Kleinigkeiten herum.

Schritt 4 – B spricht

Mit demselben Ablauf werden jetzt die Rollen getauscht: B sagt ein Argument oder einen Aspekt.

Schritt 5 – A gibt wieder

Diesmal gibt A wieder

Schritt 6 – B bestätigt oder korrigiert

Und auch hier hat B wieder die Gelegenheit, A solange zu korrigieren, bis alles wiedergegeben wurde.

Optional – C als Zuschauer / Moderator

Es kann gerade bei den ersten Versuchen oder bei sehr strittigen Themen hilfreich sein, eine dritte Person als Zuschauer oder Moderator dabeizuhaben. Diese Person kann dann falls nötig an die Struktur des kontrollierten Dialogs erinnern.

Beispiel

  • A “Ich bin echt sauer, wenn ich sehe wie es im Kühlschrank aussieht. Und ich finde wir sollten einen Putzplan machen.”
  • B “Bei mir kommt an, du bist sauer, weil es im Kühlschrank unordentlich ist – richtig?”
  • A “genau – und ich hätte gerne einen Putzplan”
  • B “ah ok, und du hättest gern einen Putzplan”
  • A “genau”
  • B “mich nervt das mit dem Kühlschrank auch, aber ich finde wir sollten lieber …” (und so weiter)

Bei mehr als zwei beteiligten Personen

Bei mehreren Beteiligten braucht es einige Abwandlungen. Wichtig ist, dass immer jemand direkt angesprochen wird und immer klar ist, wer die Person ist, von dem der Sprechende gerne hören möchte, was angekommen ist. Außerdem ist es wichtig darauf zu achten, dass jede Person, die etwas sagen möchte, auch drankommt mit sprechen. Je größer die Gruppe, desto mehr macht es dann Sinn, einen Moderator dazuzunehmen, der durch das Gespräch führt.

Bei “Restorative Circles” ist eine Art kontrollierter Dialog Teil des Konfliktlösungs-Prozesses – und dabei können auch einige Duzend Menschen beteiligt sein.

Vorübung

Falls es mit einem kontroversen Thema nicht klappt oder zu schwierig erscheint, empfehle ich eine oder beide der folgenden Vorübungen:

Wenn es ungewohnt oder schwierig ist, wenn eine Person nur spricht und die andere Person nur zuhört, dann kann ein Zwiegespräch als Übung hilfreich sein. Dazu habe ich einen extra Artikel geschrieben, in dem ich erkläre, wie ein Zwiegespräch abläuft.

Übe den Ablauf des kontrollierten Dialogs wie oben beschrieben. Aber mit einer Person zu der du neutral – freundschaftlich stehst und mit einem neutral – einfachen Thema. Hier sind ein paar Vorschläge, wenn dir selbst nichts einfällt:

  • wofür bist du gerade dankbar?
  • erzähle von deinem letzten Urlaub – was war besonders schön?
  • wie ist dein Tag heute verlaufen?

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