Der ist un-coachable! Über (vermeintlich) beratungsresistente Kunden.

Ich höre diesen Spruch in letzter Zeit immer mal wieder von Coach-Kollegen und auch Coaching-Trainern: Dieser oder jene Klient sei “un-coachable”, also beratungsresistent. Dieses Wort höre ich durchaus auch in anderen Zusammenhängen, außerhalb vom Coaching.

Mich nervt das jedes Mal ein kleines bißchen. Es hat so etwas von einem Stempel, der der Person aufgedrückt wird: So, du bist beratungsresistent, ein hoffnungsloser Fall, mit dir stimmt was nicht, hör auf meine Zeit zu verschwenden.

Das Label: “un-coachable” oder “beratungsresistent” suggeriert für mich, dass 

  • der Klient Schuld ist
  • es eine Eigenschaft des Klienten ist
  • es unveränderlich ist
  • es etwas absolutes ist, das in jedem Lebensbereich gilt

Das mag nicht immer so gemeint sein, hat für mich aber so einen Geschmack in diese Richtung. Und fast schon selbstverständlich: der Sprecher ist derjenige, der entscheiden kann wer diesen Stempel bekommt und wer nicht.

Was ist mit un-coachable gemeint?

Gemeint sind mit dieser Zuschreibung Menschen, die nicht in der Lage oder nicht Willens sind, das in ihrem Leben umzusetzen, was im Coaching erarbeitet wird. In Verbindung damit, dass in vielen sogenannten Coachings auch eine Menge Beratung abläuft, d.h. der “Coach” sagt dem Klienten, was er tun soll, bedeutet es auch: der Klient folgt den Ratschlägen des Coachs nicht. Eng verwandt dazu ist das Phänomen der “Empfehlungsfalle”.

Es gibt diese Situationen, natürlich. Ich glaube jeder Coach hat schon Klienten erlebt, bei denen die Änderungen nicht so schnell oder deutlich sichtbar wurden, wie der Coach es sich gewünscht hätte.

Wie wir die (vermeintliche) Beratungsresistenz aufbrechen können

Ich finde es als Coach deutlich sinnvoller, wenn ich bei mir bleibe und sage, was das in mir auslöst: 

  • Ich bin frustriert, weil ich sehen möchte dass meine Arbeit sinnvoll ist
  • Ich bin ungeduldig, weil mir wichtig ist, dass Vereinbarungen eingehalten werden
  • Ich bin genervt, weil ich eine Weiterentwicklung sehen möchte 

Welche Fragen sich ein Coach stellen sollte

Ich finde es sehr hilfreich mich selbst als Coach zu hinterfragen – eventuell auch in einer Supervision, also mit Unterstützung einen erfahrenen Coachs. Manche dieser Fragen sind auch gut geeignet dazu, sie direkt mit dem Klienten zu besprechen: 

  • Wenn der Klient getroffene Vereinbarungen nicht einhält, die beschlossenen Veränderungen nicht umsetzt: 
    • Was hindert den Klienten daran, das was vereinbart war auch umzusetzen?
    • War der Klient wirklich commited, also gab es wirklich eine Motivation “ja, das mache ich!”? 
    • War es ein Vorschlag vom Klienten oder ein Ratschlag des Coaches? 
    • Gab es (nonverbale) Einwände vom Klienten, die nicht genügend aufgegriffen wurden?
  • Habe ich mit dem Klienten vorher ausreichend die gegenseitigen Erwartungen an ein Coaching geklärt? 
  • Bin ich im Moment der passende Coach für diesen Klienten? Was braucht der Klient gerade? Kann ich das anbieten? 
  • Bin ich selbst eigentlich coachable? Bin ich selbst flexibel und gewillt mich zu verändern? Bin ich selbst bereit, Ratschläge von anderen aufzugreifen und umzusetzen? 
  • Was hindert den Klienten gerade daran, in die Umsetzung zu kommen? Gibt es vielleicht noch unbewusste Regeln für Weiterentwicklung? 
    • “Veränderung braucht Zeit” – unbewusst wird vielleicht die Handbremse angezogen, weil der Glaube ist, dass es gar nicht schnell gehen kann
    • “nur wenn es sich leicht anfühlt, entspricht es mir auch wirklich” – vielleicht führt so ein Glaube dazu, gar nicht erst aus der Komfortzone herauszukommen
    • “ich entwickle mich aus Krisen heraus weiter” – vielleicht wird dieser Satz unbewusst umgekehrt: Wenn es keine Krise gibt, kann ich mich auch nicht weiterentwickeln.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Suki

    Richtig interessant. Anstatt zu sagen “Er macht das nicht/Sie lässt sich nicht coachen/Er ist schwierig/Sie ist faul …” mag ich total gerne die Ausdrucksweise “Ich habe noch keinen effektiven Weg gefunden, diese Person auf eine Weise zu unterstützen, die ihren Bedürfnisse entspricht.” Das sage ich, wenn ich in meiner Kraft bin, mit einem hoffnungsvollen, suchenden, neugierigen Ton. “Ich bin neugierig, wie es gehen kann!”

    Aber ehrlich gesagt falle ich eher häufig in die Falle des “Ich kann es einfach nicht, ich bin einfach zu (hier beliebiges abwertendes Adjektiv einfügen)”, also dass ich bei mir Unfähigkeit sehe. Vielleicht kannst du dazu auch mal einen Blogartikel schreiben? 🙂 Würde mich sehr freuen!

    1. Judith Pfeiffer

      Liebe Suki,
      wenn ich lese, dass der Artikel für dich interessant war, freue ich mich 🙂 Danke dir!
      Ja, diese Falle “ich bin unfähig” kenne ich auch ziemlich gut – die Anregung nehme ich gerne auf und ich will gerne auch darüber etwas schreiben!
      Viele Grüße, Judith

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