Was ist Gewaltfreie Kommunikation? Ein kurzer Überblick über mehr als 4 Schritte

Viel in meiner Arbeit als Coach, Trainerin, Mediatorin basiert auf dieser Methode, die von Marshall Rosenberg entwickelt wurde. Aber was ist Gewaltfreie Kommunikation (GFK)? In diesem Artikel erkläre ich kurz, worum es dabei geht, warum ich den Namen ungern verwende und was mich daran so fasziniert.

Um was geht es bei Gewaltfreier Kommunikation?

Oberflächlich betrachtet geht es bei der GFK darum, eine Art von Kommunikation zu erlernen und zu praktizieren, die frei(er) von Gewalt ist. Stattdessen wird eine Sprache angestrebt, die dazu dient, Menschen miteinander zu verbinden und Gemeinsamkeiten zu finden.

Hier sind einige typische Gründe, um sich mit GFK zu beschäftigen:

  • ständiger Streit in der Familie oder mit dem Partner und die Sehnsucht, es endlich hinzubekommen
  • eine Beziehung / Ehe retten
  • der Wunsch, Konflikte so beizulegen, dass man sich hinterher noch in die Augen schauen kann
  • der Wunsch, beim Erziehen von Kindern neue Wege zu gehen, und die Fehler der eigenen Eltern zu vermeiden
  • ein mieses Arbeitsklima im Job und der Eindruck, die Kommunikation in der Firma sei weder wertschätzend noch sonst zielführend
  • Grenzen setzen / für sich einstehen wollen ohne egoistisch und rücksichtslos zu sein
  • immer öfter ist GFK auch Bestandteil von Ausbildungen, z.B. für Mediatoren, bei Erziehern, …

Ich selbst bin über die GFK gestolpert Ende 2013 in einem Schnupperkurs über Permakultur (bei Wikipedia gibt es einen recht ausführlichen Artikel über Permakultur). Ich war sofort fasziniert von diesem Konzept und wollte mehr darüber erfahren – dabei habe ich damals vor allem an private Gruppen gedacht, in denen ich war. Zum Beispiel ein Verein, in dem viel, fruchtlos und mit unschönen Argumenten diskutiert wurde.

Spätestens in meiner GFK-Ausbildung bei Günter Herold und Linda Stoib 2015 wurde mir klar: in der GFK geht es nicht nur um die Beziehungen zu anderen Menschen, sondern vor allem auch um die Beziehung zu mir selbst. Um die Art und Weise, wie ich mit mir selbst umgehe. Und um die innere Haltung, mit der ich etwas mache oder sage.

Mit dem, was ich inzwischen gelernt habe, beantworte ich für mich die Frage “was ist Gewaltfreie Kommunikation?” neu. Wichtige Aspekte für mich sind:

  • Wichtigstes Ziel der GFK ist, mit Menschen in Verbindung zu kommen
  • Sachfragen sind zweitranging und können einfacher geklärt werden, wenn es auf persönlicher Ebene wieder stimmt
  • Worte haben eine Wirkung. Sie prägen das Selbstbild und das Bild von anderen Menschen.
  • Noch mehr als die Worte bestimmt die innere Haltung, wie meine Worte wirken. Im direkten Gespräch wirken natürlich noch Gestik, Mimik, Stimmlage / Tonfall, Körperhaltung (das ist nicht direkt Bestandteil von GFK), und die werden unbewusst sehr stark über die innere Haltung beeinflusst.
  • GFK führt dazu, sich mehr sich selbst bewusst zu sein – was denke ich, was fühle ich, was brauche ich, was hätte ich gern was jetzt geschieht? Das bedeutet auch: Verantwortung für sich selbst, die eigenen Gedanken und Gefühle übernehmen.
  • nicht zuletzt gibt es in der GFK konkretes Handwerkszeug und Kommunikationstools, die dazu beitragen können, ein (Konflikt-)Gespräch so zu führen, dass alle Seiten gehört werden und eine gemeinsame Lösung geführt werden kann. Voraussetzung: die innere Haltung ist genau darauf ausgerichtet: Verständigung, gemeinsam.

Warum ich den Namen “Gewaltfreie Kommunikation” nicht mag

Viele Menschen, die den Begriff “Gewaltfreie Kommunikation” zum ersten Mal hören, haben sofort ein Bild im Kopf.

Judith mit schmerzverzerrtem Gesicht, eine Faust kommt von der Seite (die eigene). Ein Bild für: was ist Gewaltfreie Kommunikation - nicht!
Dieses Bild zeigt das genaue Gegenteil: Kommunikationslose Gewalt

Gewalt wird häufig in erster Linie mit körperlicher Gewalt oder mit krassen Aussagen à la “Sie Idiot” assoziiert – und entsprechend kommen dann Aussagen wie “aber wieso, wir sind sind hier doch nicht gewalttätig!”

In der GFK wird “Gewalt” deutlich breiter gefasst. Es umfasst alles, bei dem eine Person etwas tut ohne die Bedürfnisse anderer Beteiligter zu berücksichtigen. Als Beispiel: . Analog gilt das auch für Gewalt gegen sich selbst. Wenn ich jeden Tag einen Job mache der mir keinen Spaß macht, tue ich mir selbst Gewalt an. Wenn ich bei Misserfolgen oder Fehlern mich selbst innerlich als “unfähigen Versager” bezeichne, dann tue ich mir selbst Gewalt an.

Auch von vielen GFK-Trainern höre ich Kritik am Begriff “gewaltfrei”. Es ist ja gerade Teil der GFK, den Blick auf das zu richten was wir erleben wollen – und nicht dort zu verharren, was wir nicht mehr wollen. Einige Trainer verwenden deshalb andere Begriffe wie “Wertschätzende Kommunikation” oder “Sprache des Herzens”. Andere Trainer verwenden den Begriff trotzdem – einfach weil er eine gewisse Bekanntheit hat.

Das folgende Zitat drückt für mich viel von dem aus, was “gewaltfrei” bedeutet:

Gewaltfrei heißt nicht nur Verzicht auf Gewalt und Widerstand, heißt auch nicht etwa die andere Wange hinhalten.
Gewaltfrei ist eine viel schwierigere Aufgabe, nämlich Verständnis und Einfühlung in die Ängste, die Unwissenheit, Hilflosigkeit und Unsicherheit der Menschen und Faktoren, die gewaltvolles Handeln hervorrufen.

Gandhi

Was mich an GFK fasziniert

Einiges von dem, was ich an GFK so faszinierend finde und auch weitere Aspekte zur Frage “was ist Gewaltfreie Kommunikation?” findest du in diesem Video. Angelika Neumann hatte mich zu einem Gespräch eingeladen und wir haben viel über GFK gesprochen.

Screenshot Youtube Video mit Bildern von Judith Pfeiffer und Angelika Neumann
Ein Gespräch über Gewaltfreie Kommunikation von mir mit Angelika Neumann

Tools und Methoden der Gewaltfreien Kommunikation

Ein sehr kurzer Überblick über Tools und Methoden, die ich in der Gewaltfreien Kommunikation hilfreich finde. Es gibt noch sehr sehr viel mehr Aspekte, die den Rahmen für einen Übersichtsartikel allerdings sprengen würden.

Vier Schritte

Die berühmt berüchtigten vier Schritte der GFK sind eine Struktur für Gespräche. Nicht immer wird jeder Schritt auch ausgesprochen, es ist jedoch hilfreich sich über jeden bewusst zu sein. Die vier Schritte sind entweder auf mich selbst bezogen oder auf meinen Gesprächspartner.

  1. Was ist passiert? Um was geht es? Die Kunst dabei ist, hier genau zu trennen zwischen objektiven Beobachtungen und subjektiven Interpretationen, Analysen, Bewertungen.
  2. Wie geht es mir/dir damit? Was löst das bei mir/dir aus? Hier geht es um Gefühle wie traurig, ängstlich, ärgerlich, fröhlich etc.
  3. Was wird jetzt gebraucht? Was ist das Herzensanliegen? Dabei geht es um die innerste Motivation.
  4. Was ist mein Vorschlag oder meine Bitte? Wichtig dabei: klar formulieren was ich gerne hätte und auch damit ok sein, wenn der andere das nicht möchte.

Vier Ohren

Bei der Gewaltfreien Kommunikation stehen diese vier Ohren für unterschiedliche Filter, mit denen wir eine Aussage aufnehmen können. Das kann insbesondere für persönliche Kritik sehr hilfreich sein, z.B. “du so schlampig, der Abwasch von gestern ist immer noch nicht erledigt”

  • Schuldohren nach innen. Alles wird gefiltert durch die Annahme, dass ich selbst etwas falsch gemacht habe, dass mit mir selbst irgendetwas nicht stimmt. “stimmt schon, ich hätte gleich den Abwasch machen sollen. ich bin einfach hoffnungslos schlampig”
  • Schuldohren nach außen. Alles wird gefiltert durch die Annahme, dass der Fehler beim anderen liegt oder dass mit dem anderen etwas nicht stimmt. “selber schlampig, wer benutzt schon drei Tassen für eine Mahlzeit”
  • Verständnisohren nach innen. Ich versuche zu verstehen, was bei mir gerade los ist. Was brauche ich? Was fühle ich? Ein anderer Begriff dafür: Selbstempathie. “wenn ich das höre bin ich sauer, ich möchte selbst entscheiden wann ich was erledige”
  • Verständnisohren nach außen. Ich versuche zu verstehen, was beim anderen gerade los ist. Was brauchst du? Was fühlst du? Ein anderer Begriff dafür: Empathie. “bist du irritiert, weil du es gern zuhause sauber und ordentlich hast?

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