Mimikresonanz und Gewaltfreie Kommunikation – eine spannende Begegnung

Dieses Gespräch hat mir viel Freue bereitet: ich habe mit Ute Krämer über Mimikresonanz und Gewaltfreie Kommunikation gesprochen und wir haben das Gespräch aufgezeichnet. Das ganze Video findest du auf YouTube. In diesem Artikel habe ich das aufgeschrieben, was ich an Mimikresonanz spannend finde – als Ergänzung zum Video.

Ute Krämer und Judith Pfeiffer sprechen über Mimikresonanz und Gewaltfreie Kommunikation
Ein Klick auf den Link oder das Bild führt zum Video auf YouTube

Wie es zu diesem Gespräch kam

Von Mimikresonanz habe ich am Rande meiner Mediationsausbildung erfahren. Ein Kollege hat davon erzählt und ich war so begeistert, dass ich mich gleich für ein Seminar angemeldet habe. Das war im November 2018. Ich fand es spannend, im Alltag ist allerdings vieles wieder untergegangen.

Umso mehr habe ich mich gefreut, als wir im Netzwerk Gewaltfreie Kommunikation München e.V. (dort bin ich Vorstandsmitglied) beschlossen haben, als Thema für eins unserer regelmäßigen Tagesseminare „Mimikresonanz und Gewaltfreie Kommunikation“ anzubieten.

Corona-bedingt fand das Seminar dann am Oktober 2020 online statt und ich habe für technische Unterstützung gesorgt. Dadurch habe ich Ute Krämer, die Referentin, schon vorab getroffen und wir haben nicht nur die nötigen Details für die Veranstaltung besprochen sondern sind auch so ins Gespräch gekommen.

Daraus hat sich dann ergeben, dass ich Ute gefragt hat, ob sie nicht Lust auf ein Gespräch hat, das wir dann aufzeichnen – und sie hat zugesagt.

Was ist Mimikresonanz?

Die Mimik eines Menschen wahrnehmen – auch dann wenn die Bewegungen nur Bruchteile von Sekunden dauern, diese Signale interpretieren und ressourcenvoll und wertschätzend damit umgehen – das ist Mimikresonanz. Die Methode wurde von Dirk Eilert entwickelt und stützt sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse der Emotions- und Gehirnforschung sowie der Psychologie.

Auf die Innere Haltung kommt es an!

Als ich damals von meinem Kollegen gehört habe, dass er sich damit beschäftigt, die Mimik von Menschen zu lesen, hatte ich erst mal ein etwas mulmiges Gefühl. Ich hatte die Befürchtung, dass er jede noch so kleinste Muskelbewegung von mir deuten würde und mich damit komplett durchschauen oder bloßstellen könnte.

Ziemlich schnell hat sich das geändert und im Seminar war das auch noch einmal ein wichtiger Punkt: die innere Haltung ist entscheidend. Es geht bei der Mimikresonanz darum, mit dem Gesprächspartner in Resonanz zu gehen – die Person zu verstehen und Verbindung aufzubauen. Ganz ähnlich ist es auch bei der Gewaltfreien Kommunikation – auch da ist das für mich entscheidend die innere Haltung von Verständnis und Wohlwollen.

Wenn beispielsweise jemand in einem Coaching oder in einem schwierigen Gespräch ärgerlich spricht, aber eine Mikroexpression (= eine Emotion ist nur für den Bruchteil einer Sekunde sichtbar) von Angst zeigt. Dann ist es vermutlich eher trennend, das mit der Absicht von aufdecken und bloßstellen anzusprechen „ha, der Ärger ist ja nur gespielt, in Wahrheit hast du doch einfach nur Angst!“.

Nein, Resonanz geht anders. Vielleicht indem ich nachfrage „gibt es da auch etwas, was du befürchtest?“. Vielleicht aber auch ganz ohne es anzusprechen, nur mit der inneren Haltung von Verständnis. Es hat ja schließlich einen guten Grund, warum ein Mensch gerade eine Emotion nicht offen zulässt – bewusst eine andere Emotion im Gesicht zu zeigen, eine Maske aufzusetzen, hat eine wichtige Schutzfunktion.

Trennung zwischen Beobachtung und Interpretation. 

In der Gewaltfreien Kommunikation ist das eine ganz wichtige Grundlage: Beobachtung von Interpretation trennen. Das ist nicht immer einfach, weil wir es so gewohnt sind, alles und jeden zu interpretieren und zu deuten. Eine Interpretation als Tatsache darzustellen ist der Anfang von vielen Streitigkeiten – von „es ist kalt“, „das Zimmer ist unordentlich“ über „du bist faul“ bin hin zu „das ist alternativlos“, „das ist die Wahrheit“.

Die Beobachtung ist etwas, auf das sich alle Seiten einigen können. „Das Thermometer draußen zeigt +5°C“ oder „da liegen 4 T-Shirts auf dem Boden“. Als Ausgangspunkt für ein Gespräch ist eine Beobachtung deshalb meist hilfreicher als eine Interpretation.

Im Bereich der Mimik ist es ebenfalls wichtig, Beobachtung und Interpretation zu trennen. Wenn jemand die Augenbrauen zusammenzieht, kann das grimmig wirken. Es kann aber auch bedeuten, dass sich jemand gerade konzentriert. Oder dass die Person kurzsichtig ist und versucht etwas scharf zu sehen. „Was ist los, du schaust so grimmig?“ könnte in diesen Fällen für Irritation sorgen.

Selbst wenn ganz klar ist, welche Emotion eine Person gerade ausdrückt: niemand kann wissen, warum die Emotion kommt. Es kann in Bezug auf die aktuelle Situation sein, oder ein Gedanke an etwas ganz anderes. Um beim grimmigen Gesichtsausdruck zu bleiben, die Person könnte sich über eine Äußerung des Gesprächspartners ärgern, oder sie könnte sich daran erinnern dass sie selbst etwas vergessen hat und sich darüber ärgern und so weiter.

Um in Kontakt zu kommen und um zu überprüfen ob die eigene Interpretation korrekt ist, eignen sich Fragen wie z.B. „Du wiegst mit dem Kopf?“, „Du runzelst die Stirn?“, „Ich sehe du nickst?“, „Sie lächeln?“ Das lädt den Gesprächspartner ein, selbst eine Interpretation zu äußern.

Jede Emotion hat eine Funktion.

Sowohl in der Mimikresonanz als auch in der Gewaltfreien Kommunikation werden Gefühle oder Emotionen als hilfreich angesehen. “Negative“ Emotionen gibt es nicht, alle sind wichtig als Signale des Körpers. Das Label “negativ” führt oft dazu, diese Emotionen nicht spüren zu wollen. 

Als Beispiel die Angst: Typischerweise tritt diese Emotion auf, wenn jemand das körperliche oder seelische Wohlbefinden in Gefahr sieht. Angst ist das Signal, um die Bedrohung wahrzunehmen, zu vermeiden und so den erwarteten Schaden zu reduzieren.

Die Verknüpfung mit den Muskeln im Gesicht gibt zusätzliche Hinweise auf die Funktion einer Emotion. Bei Angst sind zum Beispiel die Augen weit aufgerissen. Es ist schließlich wichtig genau zu schauen, was los ist, wo die Gefahr herkommt.

Wenn der Eindruck von Sicherheit nicht da ist, ist es schwer irgendetwas anderes wahrzunehmen. Die Angst überlagert alles andere. Aus evolutionärer Sicht absolut sinnvoll, sich um eine Gefahr sofort zu kümmern.

Noch ein Beispiel: die Überraschung. Das besondere an dieser Emotion ist, dass auf sie immer sofort eine weitere Emotion folgt – zum Beispiel Angst, Ärger, Freude. Diese folgende Emotion ist bis zu 4x so intensiv wie ohne die Überraschung. Die Funktion von Überraschung ist, sich zu orientieren. Etwas unerwartetes passiert, also reiße ich die Augen auf und orientiere mich, was los ist – und dann folgt eben eine weitere Emotion je nach dem was ich sehe. Übrigens: wenn der typische Ausdruck von Überraschung mehrere Sekunden zu sehen ist, ist sie gespielt.

Ich sehe dich!

Besonders berührt hat mich in Ute Krämers Seminar das Konzept von „Sawubona„: Dieser afrikanische Gruß drückt eine Haltung von “ich sehe dich, ich akzeptiere dich. Mit all deinen Eigenarten, Emotionen…” Es drückt die Wertschätzung von Verschiedenheit aus.

Eine Möglichkeit, das anzuwenden ist, ein Meeting mit Sawobona zu beginnen. Jeder Teilnehmer schaut nacheinander jedem anderen Teilnehmer in die Augen mit dieser inneren Haltung von „ich sehe dich. ich akzeptiere dich.“ Wir haben das im Seminar per Zoom gemacht – da war es zwar nicht dieses sich gleichzeitig in die Augen schauen, trotzdem hatte für mich das etwas magisches und berührendes. Für mich ein schöner Weg, schnell eine Verbindung auf einer ganz anderen Ebene zu schaffen.

Mich hat es erinnert an den indischen Gruß „Namaste“ – „ich sehe das Göttliche in dir“. Seit ich übrigens diese Bedeutung kenne, sage ich wieder „Grüße Gott“ zu Menschen die ich auf der Straße treffe – mit genau dieser inneren Haltung „ich grüße das Göttliche in dir“.

Muskelkater im Gesicht

Es ist schon erstaulich, wieviele Muskeln wir im Gesicht haben. Und die meisten davon benutze ich eher selten bewusst – zumindest hat mir das der Muskelkater nach dem Seminar gezeigt. Wir haben immer wieder versucht, bewusst bestimmte Muskeln zu bewegen. Bei manchen ist das einfach, bei manchen kaum möglich.

Die Muskelbewegungen, die kaum bewusst und einzeln steuerbar sind, helfen bei der Erkennung von echten Emotionen sehr. Gerade die Muskeln rund um die Augen und die Augenbrauen sind gute Zeichen. Zum Beispiel die abgesenkte Augendeckfalte, mit der man eine echte Freude von einem sozialen Lächeln unterscheiden kann.

Übrigens: Mit Mund-Nasen-Bedeckung ist das gewohnte soziale Lächeln kaum erkennbar, weil es die Augen nicht erreicht. Das Lächeln größer und breiter zu machen, also den Mund stärker zu bewegen macht es trotzdem an den Augen sichtbar, über die Lachfalten. Ein echt empfundenes Lächeln ist automatisch an den Augen sichtbar.

Für mich war eine unerwartete Nebenwirkung der Muskelübungen, dass ich mich seither immer wieder ganz neu beobachte. Ich spüre es deutlicher, wenn bestimmte Muskeln angespannt sind, und ich benutze das dann auch bewusst, wenn ich herausfinden will, wie es mir gerade geht.

Im Seminar gab es einige Übungen mit kurzen Videos. Wir sollten die Videos Bild für Bild anschauen und versuchen, die Emotionen zu sehen. Ich habe mich dabei ertappt, wie ich die Gesichtsausdrücke unbewusst nachmache. Für mich macht es das einfacher zu verstehen wie es jemandem geht.

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