Buchempfehlung: Gott 9.0

Das Buch “Gott 9.0” von Marion Küstenmacher, Tilmann Haberer und Werner Tiki Küstenmacher hat mir vor einigen Jahren eine Freundin empfohlen. Ich habe es dann während ich ein paar Tage krank zuhause war geradezu verschlungen, so spannend fand ich die Lektüre. Deshalb will ich hier die Empfehlung weitergeben.

Religion vs. Gott

Ich bin schon vor vielen Jahren aus der Kirche ausgetreten. Anlass war damals die ständigen Berichte über sexuellen Missbrauch innerhalb der Kirche und das Versagen der Kirchenoberen, etwas auf struktureller Ebene dagegen zu tun.

Kirchen betrete ich trotzdem ab und zu: um die wunderbaren Bauwerke zu bestaunen. Und wenn ich gerade meine Mutter besuche während ihr Kirchenchor einen Auftritt in einem Gottesdienst hat.

Es gibt auch Ausnahmen, aber größtenteils erlebe ich bei diesen Gottesdiensten leider ein Gottes- und Menschenbild, das überhaupt nicht mehr zu mir passt. “Gott ist das allmächtige Wesen, das uns kleine und schwache Menschen erlöst” (ok, das ist jetzt echt verkürzt, ich weiß).

Ich sehe mich als spirituellen Menschen. Ich glaube an etwas Göttliches, das alles durchdringt. Etwas, das jedem Menschen innewohnt und zu dem jedeR Zugang hat – auch ohne einen Priester oder eine Kirche.

Verschiedene Gottesbilder

Gerade das hat mich an diesem Buch “Gott 9.0” so fasziniert: die verschiedenen Gottesbilder, basierend auf 9 “Bewusstseinsstufen”. Diese Bewusstseinsstufen repräsentieren Denkstrukturen, Entwichlungsstufen, Weltbildern und Erfahrungswelten.

Die Bewusstseinsstufen orientieren sich an dem Konzept der Spiraldynamik, jede Stufe wird auch anhand von allgemeinen gesellschaftlichen Strukturen, Menschenbild und individuellen Denkweisen erklärt. Sehr ausführlich gehen die Autoren darauf ein, wie sich diese Bewusstseinsstufe auf Ebene von Spriritualität äußert: Glaube, Gottesbild, Jesusbild.

Bewusstseinsebenen

Die “rote” Stufe zum Beispiel steht für Macht und Stärke. Freiheitsdrang und Unabhängigkeit stehen im Vordergrund, sich beweisen und die eigene Stärke demonstrieren. Entsprechend ist der “rote” Gott ein kriegerischer Gott: die griechischen Götter im Olymp, die fortwährend miteinander in Machtkämpfen sind – der Gott aus dem Alten Testament, der auch mal Erdbeben, Seuchen und Hungersnöte herbeiführt. Nur der Stärkste gewinnt.

Einige weitere Beispiele:

  • die “blaue” Stufe ist geprägt von Ordnung und Regeln. Man muss sich an die Gebote halten und alles ist gut. Moralvorstellungen spielen eine wichtige Rolle.
  • in der “orangenen” Stufe ist Unternehmergeist und Erfolg wichtig. Geprägt von Naturwissenschaften und Marktwirtschaft ist in dieser Stufe Gott eher im Hintergrund.
  • in der “grünen” Stufe gibt es ein starkes Bewusstsein für das Wohlergehen aller Menschen und der Erde. Glaube ist unabhängig von Religion, das Gottesbild ist eher das eines barmherzigen Gottes oder eines Gottes der Liebe.
  • die “gelbe” Stufe vereint alle vorhergehenden Stufen, es geht um Integration und die Vereinigung von scheinbar Paradoxem. Gott und Mensch sind keine Gegensätze mehr sondern durchdringen sich gegenseitig.

Das ist natürlich nur eine sehr verkürzte Darstellung – im Buch umfasst das lockere 200 Seiten.

Jeder Mensch hat einen Schwerpunkt bei einer bestimmten Bewusstseinsebene. Im Lauf des Lebens verändert sich dieser Schwerpunkt, einerseits durch die normale Entwicklung vom Säugling zum Erwachsenen, andererseits durch einschneidende Ereignisse. Gleichzeitig sind natürlich auch andere Ebenen aktiv, nur eben nicht ganz so präsent. Häufig verschiebt sich der Schwerpunkt auch je nach Lebensbereich: jemand kann zum Beispiel während der Arbeit sehr stark “orange” denken, in der Familie eher “grün” und beim Glauben eher “blau”.

Ähnlich verhält es sich mit Gesellschaften – auch dort verschieben sich im Lauf der Zeit oder auch durch einschneidende Ereignisse die vorherrschenden Bewusstseinsebenen. Im Mittelalter war bei uns die “blaue” Bewusstseinsebene dominant, mit dem Beginn der Industrialisierung hat es sich zu “orange” verschoben.

Was es bringt, darüber zu lesen

Wenn das eigene Weltbild und die eigene Bewusstseinsebene so gar nicht mehr zusammenpasst mit dem, was in einer Gruppe gelebt wird, dann ist das bisweilen sehr frustrierend.

Egal ob das der Arbeitsplatz ist mit dem Chef, dessen Wort Gesetz ist (eher “blau”) – und man selbst lieber selbstbestimmt und flexibel arbeiten möchte (eher “gelb”). Oder eben eine Kirche, in der an Ostern Geschichten vorgelesen werden von einem kriegerischen Gott (“rot”) – und man selbst eher eine Vorstellung von Gott = Liebe hat (“grün”).

Ich finde, das Wissen um diese verschiedenen Bewusstseinsebenen kann zu einem größeren Verständnis beitragen. Sowohl zu einem größeren Verständnis anderer Sichtweisen als auch zur Erkenntnis, dass eine bestimmte Gruppe (im Moment) nicht mehr passt und dass man sich vermutlich in einer anderen Gruppe eher wohlfühlen würde.

Zugegeben gab es einige Passagen, die ich im Buch etwas trocken oder schwierig fand: mit etlichen theologischen Fachbegriffen und sehr stark aus Sicht eines gläubigen Christen. Für mich wird das wettgemacht durch die spannenden Denkanstöße und neuen Perspektiven – und in weiten Teilen liest sich das Buch für mich auch sehr flüssig.

Buchempfehlung: Gott 9.0

Anmerkung: Ich stehe zum Autor oder zum Verlag in keinerlei Beziehung. Das Buch empfehle ich, weil es mir gut gefällt.

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